»Wie kann jedermann, d.h. jeder lebende Mensch auf der Erde, ein Gestalter, ein Plastiker, ein Former am sozialen Organismus werden? Dann ist man aber auch an einer Stufe von Kunstentwicklung angelangt, die viel spiritueller ist als jede Kunstentwicklung zuvor. Man arbeitet dann in einem wirklich lebendigen Material, während der Bildhauer […] in einem festen Material oder einem mehr flexiblen Material arbeitet. […].
Der materielle Prozess ist immer ein späterer, d.h. es gibt erst mal das Evolutionsprinzip, das ja offen und beweglich ist, und dann vermaterialisiert es sich. […] Inwieweit ein zukünftiger planetarischer Zustand andere Konditionen von Materie aufweist, darüber will ich gar nicht vorgreifen. Aber, um dahin zu kommen, braucht es erst einmal wieder die allgemeine, offene, lebendige, fließende Substanz, die am besten dadurch charakterisiert wird – das ergibt sich auch ganz logisch aus dem Kunstbegriff selbst –, daß sie Wärmecharakter hat, aber natürlich keine physische Wärme, also keine physikalische Wärme wie Ofenwärme, sondern soziale Wärme. Es ist wohl haargenau dasselbe, was die eigentliche Liebessubstanz ist. Sie hat sakramentalen Charakter. Aber es ist eine Substanz […], eine reale Substanz. Es ist also eine höhere Form von Wärme, es ist eine evolutionäre Wärme, wie ich diese Wärme nenne. Das andere ist eben die in Materiegesetzmäßigkeiten verkörperte Wärme, an materielle Prozesse gebundene Wärme. […]
Es bleibt im Grunde dabei, daß es sehr wichtig ist, diesen Kunstbegriff zu entwickeln, wo jeder lebende Mensch ein Gestalter einer lebendigen Substanz werden kann. Das ist der soziale Organismus.«
Joseph Beuys zu Rainer Rappmann am 7.4.1974, in in Harlan, Rappmann, Schata: Soziale Plastik, Wangen/Allgäu 1984, S. 20.
Äußerungen von Beuys über den Krieg
Hier ein Bericht vom Beuys-Symposion am Goetheanum im Mai 2022. Weitere Beiträge zu Beuys hier.
Neuerscheinung – siehe hier.