Zitat des Monats – Januar 2025

»Darum wisset, dass wir hier in diesem Leben Arbeiter und nicht Müßiggänger sind, denn die Geburt des Lebens ist ein steter Streit und eine Arbeit. Je mehr wir werden in Gottes Weinberge arbeiten, je mehr werden wir Früchte erlangen und ewig genießen, und gelanget zu unserem Selbstbau, denn unsere Arbeit bleibet in unserem Mysterio zu Gottes Wunder und zu unserem selbst ewigen Ruhm und Ehren stehen […]«
Jakob Böhme (1575-1624), Sendbrief an Paul Kaym

Gerade haben wir Weihnachten, gefeiert, das Fest der Geburt von Jesus Christus, dem Heils- und Friedensbringer. Es musste von Anbeginn an in schwierigen Zeiten gefeiert werden. Kindermorde finden bis heute statt – nicht nur leiblich, sondern auch seelisch-geistig. Vielleicht ist es gerade dieses andauernde Spannungsverhältnis zwischen hoffnungsvoller innerer Erwartung und bedrängender äußerer Wirklichkeit, das es zu gestalten gilt. Nicht der Wunsch nach Frieden trägt uns weiter, wie auch nicht der kritisch-empörte Blick auf andere Menschen oder quälender Selbsthader, sondern das Ringen mit den widerstreitenden Kräften in mir selbst. Dieses Ringen kann mich reif machen für das Empfangen des »Geisteskind[es] im Seelenschoß« (Rudolf Steiner). Von ihm kommt mir die Kraft zur Arbeit am »Selbstbau« zu, die dann vielleicht auch als lichte Wärme von mir in die Welt ausstrahlen kann. Doch dieser innere Kampf führt mich zunächst durch Passion und Tod.

»Das heißt, der Mensch muss diesen Vorgang der Kreuzigung, der vollen Inkarnation in die Stoffeswelt durch den Materialismus hindurch, selbst auch erleiden. Er muss selbst sterben, er muss völlig verlassen sein von Gott, wie Christus damals vom Vater in diesem Mysterium verlassen war. Erst wenn nichts mehr ist, entdeckt der Mensch in der Ich-Erkenntnis die christliche Substanz und nimmt sie ganz real wahr.«
Joseph Beuys zu Friedhelm Mennekes 1984

Wir haben in Deutschland seit achtzig Jahren in einer Komfortzone gelebt und diese auch genossen. Dabei blieb manches unbearbeitet auf der Strecke. Wir fühlten uns – trotz mancher »Zwischenfälle« – wie auf einer sicheren und prosperierenden Insel, von der aus wir die Katastrophen in anderen Weltgegenden aus der Ferne betrachten konnten. Diese Zeit scheinbarer Sicherheit ist spätestens seit der Pandemie, dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine und dem heftigen Aufflammen des Nahostkonfliktes vorbei. Oftmals versuchen wir durch Parteinahmen, Verurteilungen, Sanktionen oder Boykotte – selbst wenn sie sich nur in unserer Seele abspielen – unser Gewissen zu retten, während andere auf der Flucht ertrinken, verhungern oder sich gegenseitig töten. Wir merken nicht, dass wir so die kriegerischen Auseinandersetzungen nur mit anderen Mitteln fortführen – ohne mit uns selbst in Streit zu kommen.

 Gabriele Münter: Zuhören

Ist das Führen dieses inneren Streites nicht eine Voraussetzung, um mit dem Andersdenkenden, mit dem vermeintlichen oder tatsächlichen Gegner ins Gespräch zu kommen?  Kann ich anderen so zuhören, dass ich mich in ihrem Spiegel selbst besser kennenlerne? Kann ich anderen durch mein Zuhören helfen, sich selbst besser zu verstehen? Kann ich im Mitleben mit dem Weltgeschehen bei mir bleiben, ohne zu resignieren oder mich ausgeliefert zu fühlen? Kann ich aus mir selbst heraus Zuversicht finden und dann auch die kleinen Lichtfunken erkennen, die es trotz allem überall dort gibt, wo suchende Menschen sind? Und mich mit diesen dann zusammenfinden, mit ihnen gemeinsam schöpferisch tätig werden und so den Keim für eine lebendige Soziale Plastik legen?

Stephan Stockmar