Eine Ausstellung in Bad Homburg, in den Jakobshallen der Galerie Scheffel, Dorotheenstraße 5
Bis 26. Januar 2019. Öffnungszeiten: Mi-Fr 14-19 Uhr, Sa 11-15 Uhr
Die Galerie bleibt vom 27.12.2018 bis zum 14.01.2019 geschlossen.
»Jene Lebenskräfte, die das Wesen der Substanz Holz bilden, besitzen eine Art Ur-Intelligenz, die mich im tiefsten Inneren berührt hat und die mit meinem ganzen Denken und Fühlen verschmolzen ist. Aus dieser Verbindung, so scheint es, entstand ein Weg für einen unverbrüchlichen Grundgedanken – eine Art Lernen. Er führt zu Ideen, Handlungen, Fragen. Jede Frage eröffnet eine neue Schicht von Bewusst-Sein, jede Handlung ist ein Schritt, der einen Gedanken auf Umsetzbarkeit prüft.« – David Nash, 2003
Holz. Behauenes Holz. Gehöhltes Holz. Eingeschnittenes Holz. Durchbrochenes Holz. Verkohltes Holz. In Bronze gegossenes Holz …
Ort des Begegnung: Die Jakobshallen der Galerie Scheffel, mit der David Nash schon seit zwanzig Jahren zusammenarbeitet. Im großen, gewölbten Hauptraum – einem 300 Jahre alten ursprünglichen Kirchenraum, der die letzten 100 Jahre als Turnhalle genutzt wurde – entsteht durch die Anordnung der Werke eine regelrechte Installation: Im Hintergrund wacht ein hoch aufragendes, schwarzes Königspaar – ›King and Queen‹. Rechter Hand lagert der zerfurchte riesige ›Black Budd‹. Links ein ebenfalls in schwarze Bronze gegossener Doppelstamm: ›Ladle and Spoon‹, den man auch als aufeinander sitzendes keckes Paar anschauen kann. Dazwischen treiben drei grau verwitterte Eichenholzteile wie Schiffe in der Strömung. Die vordere Mitte des Raumes wird von zwei schlank-pyramidalen Säulen aus hellem Holz flankiert. Die linke Säule (Linde) durch Schnitte horizontal gegliedert, als ob mehr oder weniger verzogene quadratische Bretter aufeinandergestapelt sind. Die rechte Säule (Buche) wie aus vertikal zusammengesetzten Schindeln oder Schuppen gebildet. Vorne in der Mitte »taumelt« ein mächtiger Kubus aus verkohltem Sequoia-Holz. Auf den ersten Blick etwas unscheinbar, zieht mich der ausgehöhlte und verkohlte rundliche Eichenstumpf in der vorderen rechten Ecke in seinen Bann. Hoch an der Wand stehen drei kleine Kreuze wie menschlich Gestalten auf einem Querbalken, einen Eigenraum wie eine Art Altarnische um sich bildend. Als Gegenstück dazu steht aufrecht an der linken Wand, durch vertikale und horizontale Schnitte gesetzmäßig gegliedert, ein ›Charred Panel‹, wie die drei Kreuze aus verkohlter Eiche. Nicht zu vergessen die beiden hell-hölzernen käferartigen ›Clams‹, die zwischen den meist dunklen Gestalten ihr Wesen treiben. Ebenfalls wie aus einem Dazwischen leuchten drei Pastelle in den Farben des Eichenlaubes im Wechsel der Jahreszeiten – von Dunkelgrün bis Orange – in den Raum hinein. Ich bewege mich in ihm wie zwischen elementarischen Wesen, die freundlich oder streng, mächtig oder majestätisch, keck oder innig-zurückhaltend die verschiedensten Seiten und Schichten meiner Seele berühren, denen gegenüber ich mich auch leiblich positionieren muss und die meinen Geist auf vielfältige Weise beleben.
Trotz aller gestaltender Eingriffe hat man nie das Gefühl, David Nash tue seinem Material Gewalt an, zwinge ihm seinen Willen auf. Dazu gehört auch, dass er nie Holz verwendet, dass nicht ohnehin geschlagen wurde, umgebrochen oder sonst wie abgestorben ist. Er arbeitet mit der dem Holz innewohnenden Struktur, der Bewegung, aus der heraus es gewachsen ist und die seine Geschichte ›dokumentiert‹; mit den Prozessen, die dem Holz eigen sind und den Elementen, die es umgeben und durchdringen.
Mit seinen groben und feinen Werkzeugen zerlegt er das Holz, ohne es auseinanderzunehmen. Er durchluftet (!) und durchlichtet es, gibt ihm auch geometrische Formen, die manchmal wie zusammengebaut erscheinen, doch dabei zugleich, wie bei seinen Säulen, die gewachsene Struktur und ihre fortdauernde ›Lebendigkeit‹ – Holz arbeitet! – neu wahrnehmbar werden lassen. Umgekehrt setzt er aber auch geometrische Formen – Würfel, Kugel, Pyramide – aus Ton natürlichen Erosionsprozessen aus, um sie dann in Bronze zu übersetzen.
Durch kontrollierte Verkohlung des Holzes wird die Verwitterung beschleunigt, ohne dass die Form verloren geht. Die Materie wird so der Schwere enthoben und die Schwärze lässt das Holz wie von innen her leuchten: ein Phönix aus der Asche. Dass Nash einen teilverkohlten Buchenstamm, bei dem durch das Schwarz immer wieder die goldbraune Farbe des Holzes durchleuchtet, »Rembrandt« nennt, wirkt völlig stimmig.
Ob verkohltes Holz oder schwarze Bronzeabgüsse: Der Unterschied ist auf den ersten Blick kaum wahrnehmbar. In beiden Fällen zeigen sich in der verwandelten Materie die ursprünglichen Strukturen fast noch deutlicher als im rohen Holz. Erst im genaueren Hinspüren offenbaren sich die unterschiedlichen Qualitäten der Substanzen, die durch polare Feuerprozesse hindurchgegangen sind: Bei der Verkohlung werden die flüchtigen Substanzen ausgetrieben, bis schließlich nur noch das Kohlenstoffgerüst übrig bleibt. Bei der verkohlten Eiche ist so noch ihre aufrichtende Kraft unmittelbar erlebbar. Beim Bronzeabguss dagegen zeichnet das erstarrte flüssige Metall wie von außen die Strukturen nach. Trotz der mächtigen äußeren Erscheinung überwiegt in der Empfindung der Eindruck eines sphärisch weiten Gebildes. Doch beides kann ich wie eine Steigerung des ursprünglichen Zustandes erleben.
Neues entsteht bei Nash oft auch durch den Gegensatz von hellem und verkohltem Holz. Wie durch Einschnitte oder Durchbrüche von außen entstehen auch durch die gezielt gesetzten Verkohlungen Zwischenräume, die das Holz wie öffnen; die Schwärze strahlt dann wie von innen her. – Durch das rhythmische Spiel zwischen Innen und Außen, Kern und Schale, Höhlung und Ummantelung, Durchbruch und Zeichnung von außen wie von innen belebt sich das tote Material auf je spezifische Weise neu, wird in der Schwere Leichtigkeit erfahrbar.
Durch formende Bearbeitung und gelenkte Verwandlungsprozesse greift David Nash Gewordenes auf, führt es weiter und bringt so keimhaft Neues zur Erscheinung. Er macht nicht einfach etwas fertig, sondern der künstlerische Prozess selbst ist im Werk noch wie anwesend und damit auch der mit und aus der Natur arbeitende Mensch. Die Polarität Mensch–Natur wird offenbar und zugleich aufgehoben in eine neue Einheit – einem neuen Wesen. Denn all diese Möglichkeiten der Verwandlung stecken ja auch im Menschen selbst und werden im Betrachten dieser oft wesenhaft wirkenden Werke in mir neu angeregt.
Im Vorwort zu einem Katalog der Bad Homburger Galerie Scheffel schreibt der 1945 in Südengland geborene und seit 1967 in North Wales lebende und arbeitende Künstler über sein Verhältnis zum Holz:
»Jene Lebenskräfte, die das Wesen der Substanz Holz bilden, besitzen eine Art Ur-Intelligenz, die mich im tiefsten Inneren berührt hat und die mit meinem ganzen Denken und Fühlen verschmolzen ist. Aus dieser Verbindung, so scheint es, entstand ein Weg für einen unverbrüchlichen Grundgedanken – eine Art Lernen. Er führt zu Ideen, Handlungen, Fragen. Jede Frage eröffnet eine neue Schicht von Bewusst-Sein, jede Handlung ist ein Schritt, der einen Gedanken auf Umsetzbarkeit prüft.
Die langjährige Arbeit mit Bäumen und Holz führte, verführte mich durch die schiere Beschaffenheit, die Physis des Materials: durch seine Eigenheiten, feucht-trocken und fest-spröde; durch den Lebens-Raum und Lebens-Zyklus, Wachstum, Tod und Wiederkehr; durch die Verwobenheit der elementaren Stoffe. Elemente von aktiver Dynamik: Feuer als Licht und Wärme, Luft als Dampf und Raum, Wasser im Fließen und in der Bewegung, Erde in fester Ruhe.
Der Baum webt Erde, Licht, Wasser, Luft zu einem Körper. Nimmt man die Fäden dieser elementaren Kräfte wieder auf, lassen sie sich in anderen Geweben weiter verfolgen, in Eisen, Glas oder beton. Bringt man festes Eisen in Verbindung mit Feuer und Luft, schmilzt sein Erd-Element ins flüssige ›Wasser‹-Element, und es lässt sich in eine Gussform aus Holz oder über einen hölzernen Korpus gießen. Setzt man Tonkörper unter einen Wasserfall, entstehen mit der Erosion Wasser-Formen, die in Bronze ›geerdet‹ werden können.
Holz ist mein Lehrer und es leitet mich, so lange ich dem Weg, den es bezeichnet, treu bleibe. Auf diesem Weg zeigt es mir Formen und Aktionen, die mit anderen Materialien erkundbar sind.«
(Übersetzung aus dem Englischen von Agnes Kloocke; aus ›David Nash. Rückkehr der Kunst in die Natur‹, Edition und Galerie Scheffel, Bad Homburg 2003).
David Nash, bis 26. Januar 2019 in den Jakobshallen der Galerie Scheffel, Dorotheenstr 5, Bad Homburg, www.galerie-scheffel.de
Stephan Stockmar