Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin« im Museum Wiesbaden

Wie kommt das Geistige in die Kunst?
Zur Ausstellung »Lebensmenschen. Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin« im Museum Wiesbaden

Stephan Stockmar

»Ich liebe alles, was nicht ist, in denen, die um mich sind und in dem, was ich bin und in dem, was ich mit allen meinen Sinnen spüre« – Marianne von Werefkin, 16. Juli 19021

Den Auftakt zur Ausstellung bilden zwei Selbstbildnisse. Das von Marianne von Werefkin (1910) ist im Münchner Lenbachhaus, der ersten Station dieser Ausstellung zuhause, das von Alexej Jawlensky (1912) im Museum Wiesbaden, wo die Ausstellung nun bis zum 12. Juli 2020 zu sehen ist und von wo aus sie auch durch Roman Zieglgänsberger konzipiert wurde.

Beide Bildnisse sind von kräftiger Farbigkeit aus durchaus ähnlichen Paletten. Und beide haben nicht nur den akademischen Naturalismus des 19. Jahrhunderts hinter sich gelassen, sondern repräsentieren bereits vollgültig die gerade sich entwickelnde expressionistische Malweise. Doch damit enden auch schon die Gemeinsamkeiten. Marianne von Werefkins ›behüteter‹ Kopf auf gestrecktem Hals schaut den Betrachter aus glühend roten Augen an. Während Alexej von Jawlenskys dunkle Augen in dem runden, fast kahlen Schädel, der mit kurzem dicken Hals dem Rumpf aufsitzt, prüfend auf den gerichtet erscheinen, der gerade malt – auf sich selbst. Er bleibt bei sich und scheint zu sagen »Ich und die Farben sind eins«.

Bei Werefkin sind Gesicht und Hals noch deutlich durch die Licht und Schatten folgende Farbigkeit modelliert. Die Farben auf Jawlenskys Gesicht dagegen bewegen sich frei und verleihen ihm trotz des deutlichen Volumens eine flächige Wirkung. Werefkin zeigt sich als Intellektuelle, die wirken will, Jawlensky als sinnlicher Gemütsmensch.

So kommt gleich zu Beginn die große Unterschiedlichkeit der beiden aus Russland stammenden Künstlerpersönlichkeiten zum Tragen, die über 29 Jahre auf symbiotische und zugleich problematische Art und Weise miteinander verbunden waren und sich auch nach der endgültigen Trennung künstlerisch einander verpflichtet wussten. Die Wiesbadener Ausstellung macht über 15 Räume hinweg ihre künstlerische wie lebensmäßige Verflechtung auf eindrucksvolle Weise anschau- und nachvollziehbar.

›Lebensmenschen. Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin‹. Ausstellung im Museum Wiesbaden bis 12.7.2020, www.museum-wiesbaden.de/lebensmenschen

Die vollständige Besprechung der Ausstellung hier